von Katharina Maier

Karl May schrieb Heldengeschichten und Heldengeschichten beschreiben unser Jahrhundert.

Wie viel die May-Helden mit den Superhelden unserer Zeit gemein haben, deckt Katharina Maier in detektivischer Sherlock-Holmes-Manier in ihrem neuen Buch auf und zeigt die vielen verblüffenden Parallelen zwischen den ikonischen Figuren der Reiseerzählungen und den DC- und Marvel-Helden, tapferen Hobbits und Halb-Vulkaniern. Den Text musste ich einfach übernehmen, weil ich ihn so nie hätte schreiben können.

Dabei kapitelt sie das Buch in folgende Bereiche auf:

  1. 1. Helden. Eine altmodische Geschichte
  2. 2. Superhelden und Lagerfeuer
  3. 3. Eine unerwartete Reise
  4. 4. Old Shatterhand trifft Sherlock Holmes.
  5. 5. Winnetou im Weltraum

Zuerst erzählt sie uns, ob Helden eine altmodische Idee sind oder doch eher zeitgemäß. Und wenn ja, wie passen da die alten Karl May Helden, also hauptsächlich Old Shatterhand (und Kara Ben Nemsi) hinein? Oder kann man das etwa nicht vergleichen? Und ob man das kann. Gerade die 451 Seiten wissenschaftlicher Arbeit, sind eine Menge Papier und eine verdammt große Menge Infos, aber wer sich dafür interessiert, der bekommt eine satte Ladung Input, wie die Kapitelanzeige verdeutlicht.

1Ein Held im traditionellen Sinne ist jemand, der herausragende physische und psychische Leistungen verbringt. Figuren dieser Art tauchen schon in den ältesten literarischen Werken auf, von denen wir Kenntnis haben; die Ilias und die Odyssee Homer sind voll davon, ebenso die großen Epen des Mittelalters. Auch in jüngerer Zeit haben die Heroen an Ausstrahlungskraft nichts eingebüßt. Das Hollywood-Kino zum Beispiel erweckt in kurzen Abständen alte Comic-Helden zu immer neuen Leben auf der Leinwand, und ein riesiges Publikum hat schon seit Beginn der 1960er Jahre der Abenteuer, die ein gewisser James Bond regelmäßig in demselben Rahmen vollbringt. So allgegenwärtig sind diese Figuren, so ausgeprägt ist offenbar das Bedürfnis, ihnen bei der Arbeit zuzusehen, dass Theorien zum innersten Kern literarischer Fantasien mit ihnen argumentieren können. Siegmund Freud etwa hat in seinem Aufsatz Der Dichter und das Phantasieren »Seine Majestät das Ich, den Helden aller Tagträume wie aller Romane« ins Zentrum der Überlegungen zum Wunsch erfüllen den Charakter der Literatur gerückt.

Das ist ein Auszug aus dem Vorwort. Wir sehen also das Helden universell sind und damit ist es vollkommen egal ob sie im Altertum, im Wilden Westen oder der Neuzeit auftauchen. Sie entwickelt dazu eine nette kleine Szene am Lagerfeuer, wo sie unterschiedliche Helden versammelt und sie miteinander sprechen lässt. Diese muss ich Euch unbedingt lesen lassen.

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2„Elementar, mein lieber Old Shatterhand“, sagt Sherlock Holmes und zieht an seiner Pfeife. Die Flamme des Lagerfeuers werfen tiefe Schatten auf sein Hagens Gesicht unter dem Deerstalker-Hut. „Wir leben im Zeitalter der Helden.“

Bevor Old Shatterhand, anderenorts auch bekannt als Kara Ben Nemsi, antworten kann, tönt ein raues Lachen über die Lichtung. Es klingt ein wenig, als hätte jemand seinen Asthma-Inhalator vergessen. „Helden?“, schnarrt die dunkle Gestalt auf der anderen Seite des Lagerfeuers. „Die Helden sind tot. Tot und nutzlos.“

„Faszinierend“, meint der Vulkanier zu Sherlocks Rechten mit erhobener Augenbraue. „Und unlogisch. Der Tod und der Nutzen eines Helden stehen in keinem kausalen Zusammenhang.“

„Offensichtlich nicht, mein lieber Spock“, entgegnet der Detektiv und sieht die dunkle Gestalt auf der anderen Seite des Lagerfeuers scharf an. Sie trägt einen schwarzen Umhang, und ein schwarzer Helm verbirgt ihr Gesicht. Old Shatterhand meldet sich endlich zu Wort, ein amüsiertes Zucken um die Mundwinkel: „Außerdem seid ihr der beste Beweis, Mister Vader: Totgesagte leben länger.“

„Weil unsere Geschichten etwas bedeuten“, wirft ein tapferer, kleinerer Hobbit ein. Er sitzt neben Old Shatterhand und sieht ein wenig wie Hadschi Halef Omar aus. „Denn es gibt Gutes in der Welt. Und dafür lohnt es sich zu kämpfen.“

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Wie in diesem kleinen Abschnitt verdeutlicht, kommen die genannten Helden allesamt vor und Katharina Maier schafft es, sie in einen Kontext mit den Mayschen Helden zu setzen. Im 1. Kapitel kommt sie dabei immer wieder zu dem großen Superheld, Captain Amerika. Dieser ist zu Anfang noch kein Superheld und wird es erst zu einem späteren Zeitpunkt. Dabei bleibt er aber immer der gleiche anständige Kerl und sein Charakter wird niemals verbogen, wie bei manch anderen. Seine Geschichte dreht sich eher darum, wie er seine heroische Person für die Allgemeinheit einbringen kann. 3Und in dieser Hinsicht ist Steve Rogers nun wirklich ein ganz besonderer Typus von Held, der in der gesamten Literatur vielleicht nur eine einzige Entsprechung hat (vor allem nach der Dekonstruktion von Superman): Karl Mays großes Ich alias Old Shatterhand alias Kara Ben Nemsi.

Dabei schlägt sie einen Bogen von den modernen Helden, wie Cpt. Amerika, Iron Man oder Batman, zu den Figuren des J.R.R. Tolkien, und dessen Zeitlosigkeit, den detektivischen Fähigkeiten eines Sherlock Holmes, bis zu den uneidlichen Weiten des Weltraums, in dem sich Spock die Ehre gibt. All das vereinen die Mayschen Figuren, vielmehr ihre Helden, in sich. Die Kraft der modernen Helden, die Zeitlosigkeit Tolkiens, die detektivischen Fähigkeiten des größtes Detektivs der Geschichte und dem Forschergeist der Enterprise Besatzung.

4Mayhelden sind Superhelden 5avant la lettre. Mit außerordentlichen Fähigkeiten und unerschütterlichen Moralkodex retten sie die Welt, und das mit einer unbändigen Lust am Anders-Sein und am Held-Sein. Der Erfolg des Marvel Cinematic Universe in den vergangenen Jahren hat gezeigt, dass es den Menschen nach gut erzählten Geschichten über solche Helden verlangt - und die gibt es im Maytext nun wahrlich zuhauf.

Und das alles zusammen in einem wissenschaftliche Werk, das sich lesen lässt wie ein ganz normaler Roman. Spannend, mit viel Herzblut und einem unglaublichen Berg an Informationen und Vergleichen. Danach mag man seinen Old Shatterhand oder Kara Ben Nemsi noch mehr oder sieht ihn vielleicht sogar mit ein wenig anderen Augen.


1  Katharina Maier, Moderne Helden, Seite 7.

2  Katharina Maier, Moderne Helden, Seite 11.

3  Katharina Maier, Moderne Helden, Seite 106.

4  Katharina Maier, Moderne Helden, Seite 134.

5  Französisch für buchstäblich.


Medium gebundene Ausgabe
Buch Genre Sachbuch
Erscheinungjahr2018
Verlag/LabelKarl May Verlag
AutorKatharina Maier
ISBN/Asin978-3780205643
Seitenzahl461