von HG Wells

Zeitreisen sind beliebt, warum auch immer. Vielleicht weil sie Möglichkeiten eröffnen sich mit der eigenen Vergangenheit oder der eventuellen Zukunft auseinander zu setzen. Man kann Verwicklungen beschreiben, nach dem Motto was wäre wenn, oder historische Personen einbinden. Dabei besteht immer die Gefahr in die sogenannten Zeitparadoxe zu geraten, über die sich trefflich streiten lässt, da niemand mit Bestimmtheit sagen kann ob dies oder jenes wirklich eintreffen würde. Denn, wenn es Zeitreisen geben würde, könnten man eben genau das verhindern, das der momentan lebende Mensch etwas davon weiß.

Auch im Kino wird dieses Thema immer wieder aufgegriffen. Denken wir nur einmal an Star Trek. Das wohl bekannteste Beispiel dürfte aber „The Time Machine“ von 1960, mit Rod Taylor, sein. Eine wirklich hervorragende Verfilmung. In der Geschichte von H.G. Wells, reist der Zeitreisende, der im Buch keinen Namen hat, so weit in die Zukunft, das einfach keine Zeitparadoxe auftreten können. Ob er das bewusst getan hat sei einmal dahingestellt. Wenn man das Buch mit dem Film-Klassiker vergleicht, oder auch der Neuverfilmung aus dem Jahre 2002, dann wird deutlich, das sich hier verschiedene Welten auftun, die nur die Grundidee als Gemeinsamkeit besitzen.

Das aus dem Patmos Verlag stammende Hörbuch, wird hervorragend von Götz Otto vorgetragen. Er schafft es mit seiner ruhigen und ernsthaften Erzählweise, den Zeitreisenden, deutlich als rational denkenden Wissenschaftler des 19.Jahrhunderst darzustellen, der von der Überlegenheit des Menschen über die Natur vollkommen überzeugt ist. Seine Erzählung über die Geschehnisse fängt er kühl und überlegt an. Aber im Verlaufe der Abenteuers im Jahre 802701 spürt man in seiner Stimme deutlich, wie sehr ihm das Erlebte zugesetzt hat.

Da seine Bekannten ihm nicht glauben, und weil er fest davon überzeugt ist das seine Maschine funktioniert, beschließt er eine Reise in die Zukunft zu wagen. Und so geht die Reise los, ohne irgendwelche Vorbereitungen zu treffen. Eigentlich merkwürdig für einen Wissenschaftler, der eine Expedition durchzuführen beabsichtigt. Er steigt jedenfalls in seine Maschine und schiebt den Zeitregler nach vorne. Die Zeit fängt alsbald an zu rasen und H.G. Wells beschreibt recht eindringlich wie sie sich gestaltet. Im Gegensatz zum Film macht er allerdings keine Zwischenpausen, wie sich das für einen Film als Dramaturgie wunderbar anbietet. Schließlich gelangt er in das Jahr 802.701 und begegnet den dortigen Menschen.

Eine Verständigung ist zunächst schwierig aber mit der Zeit kann er sich doch verständlich machen. Vor allem nachdem er Veena vor dem Ertrinken retten konnte, hat er eine Bezugsperson. Während er die ihm völlig fremde Welt erkundet, macht er sich Gedanken über die sozialen Umstände, die die Erde in dieser fernen Zeit verändert hat. Und so entwirft er ein neues Bild der Gesellschaftsform und ihrer Änderungen bis zu diesem Zeitpunkt. Allerdings ist er auch immer wieder gezwungen dieses zu revidieren, denn er findet ständig neue Informationen über die Vergangenheit. Und schließlich findet er auch heraus warum die lieblichen Eloi solche Angst vor der Dunkelheit haben. Denn dann kommen sie, die schrecklichen und furchteinflößenden Morlocks.

Und sie sind es auch, die den Zeitreisenden in Schrecken versetzen, denn er muss etwas mit Entsetzen feststellen. Er beschließt herauszufinden was genau in dieser ihm völlig fremden Gesellschaft vor sich geht und wie die Verhältnisse zwischen den Eloi und den Morlocks beschaffen sind. Dabei macht er eine schreckliche Entdeckung.

Die Produktion aus dem Hause Patmos unterstützt die Stimmung immer wieder mit leisen und nie aufdringlichen kurzen Geräuschkulissen, z.B. einem Kaminfeuer, Vogelgezwitscher oder dem Laufgeräusch der Zeitmaschine. Da nicht viele andere Personen auftauchen, außer zu Anfang, kann Götz Otto sich ganz auf den Zeitreisenden konzentrieren und verliert dabei nie die ruhige Erzählweise des Wissenschaftlers. Seine Interpretation ändert sich erst als die Konfrontation mit den Morlocks immer stärkere Züge annimmt und sich der Zeitreisende nur mit Mühe aus deren Umklammerung befreien kann. Aus heutiger Sicht würde jeder sagen das der Mann ziemlich unbedarft in ein derartiges Abenteuer gegangen ist, ohne jede Vorbereitung. Aber 1895 war das vielleicht anders oder H.G. Wells hat dies absichtlich so gestaltet. Zudem benutzt der Autor die Zeitreisegeschichte um deutlich soziale Kritik an der, zu seiner Zeit, aktuellen sozialen Gesellschaftsstruktur zu üben. Immer wenn der Zeitreisende ein neues Gesellschaftsbild entwirft, sind da die Anklänge auf Wells Gegenwart herauszuhören. Auch die damals vorherrschende Meinung, mit Technik ließe sich alles machen, sogar der Sieg über die Natur, kommt deutlich zum Tragen. Ein Blickwinkel den die heutigen aufgeklärten Menschen sicherlich nicht mehr nachvollziehen können. Und auch das Ende ist anders als im Film. Jeder kann sich hier seine eigene Interpretation der Ereignisse bilden.

Wer den Film kennt, aber das Buch nicht, und auch keine Lust hat es selber zu lesen, der ist mit diesem Hörbuch sehr gut bedient. Eine ausgezeichnete Produktion, ein hervorragender Sprecher und kleine, angenehme Geräuschkulissen machen „Die Zeitmaschine“ zu einem Hörgenuss. Wir konnten jedenfalls nie eine Pause machen und mussten in einem Rutsch bis zum Ende durchhören.


Typ Hörspiel
Medium CD
Erscheinungjahr2007
Verlag/LabelPatmos
AutorHG Wells
RegieDirk Kauffels
ISBN/Asin978-3491912373